27. Juni 2017
In der FAZ vom 26.6. hat Christian Geyer Peter Sloterdijk einen Glückwunsch zum Siebzigsten geschrieben, der es in sich hat. Mit anderen Worten, man weiß nicht so recht, wie man das Stückchen Journalismus lesen soll: als illuminiertes Textständchen oder als bitterböse Satire.
Das beginnt bereits mit dem Auftakt, in dem auf Sloterdijks Laudatio auf Helmut Kohl als „Vorsprung durch Geistesgegenwart“ hingewiesen wird. Wobei dies für einen Zeitgenossen des jüngst verstorbenen Altkanzlers eine erstaunliche Assoziation ist. Da dachte man doch eher an Erinnerungslücken oder an Lösungen durch Aussitzen.
Nun wird man Sloterdijk nicht vorwerfen können, wenn Geyer ihn mangelnder Systematik und Beständigkeit („vorgefertigte Agenda“), dafür aber der Fähigkeit zeiht, „hellwach zufälligen Chancen“ zu folgen, das „Okkasionelle“ als „Selbstentzündung“. Da hat man anderen geraten, sich doch endlich mal für irgendetwas zu entscheiden, und dann das.
Dass Sloterdijk sich von den „Fesseln wissenschaflticher Methodik“ befreit habe, wird man neidlos zugestehen. Was freilich der Nachvollziehbarkeit von Argumentationen kaum zuträglich gewesen sein sollte. Wer braucht schon „strengen Belegzwang“, „penible Kausalitäten“ oder „Korrelationen scheidende Analyse“, wo man sich doch „kühn“ auf die „freie pholologische Assoziation“ und „fruchtbare Analogiebildung“ werfen kann. Immerhin kommt damit dem „Argument“ eine – bitte Obacht – „höhere, von zufälligen Passungsverhältnissen bestimmte Mobilität“ zu. Hoho. Um soweit zu kommen studiert man zuerst Kritische Theorie und dann indische Philosophie in einem Ashram. Im Vergleich dazu wirkt Hermann Hesse seriös.
Einmal soweit gekommen, kann Sloterdijk denn auch den Totschläger „bekanntlich“ überall dann den Verhältnissen überziehen, wo es ihm passt. Der Geburtstagsschreiber meint dazu, das Sloterdijk damit seine Leser in Haft nehme, was ihnen wohl zurecht geschieht. Selber schuld. „Evidenz“ wird auf diese Weise willfährig und willkürlich angewiesen. Aber dass Geyer Sloterdijk in Sachen Gott einen „schmissigen Befund“ nachsagt, soll man Sloterdijk nicht vorwerfen. Nicht einmal, dass „Konflikte um Wahrheitsfragen“ „obsolet“ erscheinen. Ab in den „Sumpf der Diskurse“ mit so etwas.
Wer sich von solcherart Schreibe unterhalten fühlt, wird das „graue Haus der Philosophie in feurige Farben“ getaucht sehen. Egal was es war, das will ich haben. Andere werden sich vielleicht eher über Zeit und Geld ärgern oder sich schämen, wenn man sie mit dem neuesten Sloterdijk erwischt.
Bleibt festzuhalten: Es ist erstaunlich, wie weit Sloterdijk gekommen ist, und dass sogar ein Verlag wie Suhrkamp ihm die Treue hält. Jetzt hat er anscheinend sogar einen Roman veröffentlicht, der sicherlich gelesen wird, von wem auch immer. Und 70 ist er sogar. Chapeau. Da hatten andere mehr Pech.