Übers Essen räsonieren

26. Mai 2016

Dass Websites weniger Beschränkungen haben, was die Zahl von Artikeln und ihren Umfang angeht, hat den großen Vorteil, dass hier etwas möglich ist, was in anderen Medien, die vom Platz her beschränkt sind, hinreichend verpönt ist: Der Rezensent kann Verrisse schreiben. Wo in den meisten Medien nur Empfehlungen möglich sind – was schlecht ist, wird einfach nicht erwähnt -, lässt sich auf einer Website ganz schön vom Leder ziehen, wenn es denn notwendig ist.

Ich habe das verschiedentlich gemacht – zumeist dann, wenn Texte schlecht konzipiert waren oder stilistisch unbeherrscht, immer dann wenn Autoren/innen sich im Glanze ihres Textes zu sonnen scheinen, ist ein solcher Verriss fällig. Danksagungen, die über viele Seiten gehen, oder Welterklärungen, die nur vermeintlich erzählt werden. 

Dabei sind Verrisse nicht einfach, weil sie argumentativ viel aufwendiger sind als lobende Besprechungen. Ein Lob wird geglaubt, ein Verriss muss glaubwürdig gemacht werden. Und das macht Aufwand. Da reicht kein Spott, leider. Zumal abhanden gekommen ist, was für ein allgemein verbindliches Urteil notwendig wäre: ein fester Maßstab. So etwas fehlt generell in der Literaturkritik der Gegenwart.

Für ein relativ neues Genre wie den Krimi sind feste Maßstäbe vielleicht auch überhaupt nicht zu erwarten, kommt er doch als Massenphänomen in einer Zeit auf, in der feste Maßstäbe nur noch als Erinnerung bekannt sind und funktionslos geworden sind. Dass Literatur somit nur noch internen, jeweils selbst gesetzten Ansprüchen genügen muss, macht aber eine externe Kritik nicht überflüssig, ganz im Gegenteil, sie wird umso notwendiger. Denn ein Text muss mehr und mehr an seinen eigenen Ansprüchen gemessen werden, er muss außerdem funktionieren, also eine sehr fein austarierte Balance aufweisen, in der Thema, Plot, Ausführung und Stil aufeinander abgestimmt werden müssen. 

Ein gut gemeintes Thema, ein intelligenter Plot kommen dann nicht zur Geltung, wenn sie schlecht umgesetzt sind, wenn der Stil hölzern ist, die Erzählung durch Sprachhülsen vorangetrieben werden soll und die Figuren einen Einheitsbrei sprechen, der nicht zu ihren Rollen passt. Ja, Krimis zu schreiben, ist ein Handwerk, das gepflegt werden muss und sollte. Thomas Wörtche hat wohl recht.