Bargeld

17. August 2016

Die Abschaffung des Bargelds beschäftigt die politische Szene, während es im Finanz- und Wirtschaftssystem anscheinend als Ziel recht weit verbreitet gelten kann. Jüngst referierte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (14.8.2016) zwei Argumente des „Starökonoms“ Kenneth Rogoff: Die Abschaffung des Bargelds diene dazu, kriminelle Zahlungsströme abzuschneiden. Kein Drogendeal also mehr, kein Handel mehr auf welcher Straße oder welchem Park auch immer. Was wahrscheinlich mehr Befürworter als Gegner haben wird.

Das zweite Argument ist hingegen problematischer: Die Abschaffung des Bargelds dient dazu Negativzinsen zu ermöglichen, also Investitions- oder Konsumanreize auch in Niedrigzinsperioden geben zu können.

Zwar ist es eh strittig, ob die Niedrigzinspolitik überhaupt noch den Effekt hat, den sie haben soll, nämlich Investitionen anzuregen. Billiges Geld produziert, wie man derzeit im Immobilienmarkt sehen kann, höhere Preise. Aber noch hat diese Anreizpolitik mehr Befürworter als Gegner. Und als Unternehmer wird man sich den Niedrigzinsen nicht verwehren wollen.

Negativzinsen hätten jedoch weniger für Unternehmen denn für Privatleute verhängnisvolle Folgen. Nämlich etwa dann, wenn auch kleinere Vermögen betroffen wären, die etwa für das Eigenkapital angehäuft werden, mit dem die Finanzierung von Wohneigentum ermöglicht werden soll. Wenn in der Phase, in der das Kapital angesammelt werden soll, Niedrigzinsen es zugleich wieder mindern, werden solche Bemühungen konterkariert. Ähnlich sieht es aus, wenn Rücklagen, die als Ersatz für Rentenansprüche angelegt werden, von Niedrigzinsen wieder gemindert werden. Das Geld auszugeben, das ja gerade angesammelt worden ist, um als Rücklage oder Eigenkapital Sicherheiten zu schaffen, wird nicht möglich sein.

Auch wenn also die Abschaffung des Bargeldes in der Praxis gerade von denen vorangetrieben wird, die sich jetzt massiv dagegen wehren – immer weniger Zahlvorgänge werden bar abgewickelt, weil niemand mehr Bargeld in der Tasche haben will -, braucht es einen Deckel, der unangetastet bleiben muss. Und der liegt eben schnell bei sechsstelligen Beträgen – was dann Argument 1 gleich wieder aushebelt.

Es sieht also so aus, als ob man sich für das eine wie das andere andere Mittel ausdenken müsste, damit die Zwecke – Austrocknen der kriminellen Zahlungsflüsse und Konsum- wie Investitionsanreize -,  erreicht werden können. Zumindest wenn man das Klientel, das auf Rücklagen angewiesen ist, nicht mutwillig schädigen will. 

Das aber hat nichts mit dem angeblichen Unwillen zu tun, der die Diskussion über die Abschaffung des Bargelds begleitet und der merkwürdiger Weise gern mit den kleinen Kindern argumentiert, denen man Bargeld in die Hand geben will. Es mag sein, dass es um die Abschaffung eines weiteren Konkretums geht, das durch etwas Abstraktes ersetzt wird, das man nicht mehr selbst kontrollieren kann. Aber spätestens in der Hyperinflation des Jahre 1921 bis 1923 sollte den Deutschen klar geworden sein, dass sie auf vieles Einfluss haben, aber eben nicht auf Geld, auch nicht auf Bargeld. 

Hübsch ist auch, dass das Abstraktum Geld (das allgemeine Tauschmittel, das nie auf Gebrauchswert schaut, sondern nur auf den Tauschwert) auf einmal in seiner konkreten Variante verteidigt wird. Und in der Tat, wird das Bargeld abgeschafft, wird es nie jemanden mehr wie Heinrich Böll geben, der den Geruch des Preisgelds der Gruppe 47 so hoch lobte. Kreditkarten riechen nicht. Was aber auch Vorteile hat.