Selbstbehaupter

25. Mai 2018

In einem Beitrag für die FAZ vom 23. Mai 2018 beklagen Jürg Berthold und Friedemann Bieber die Übertragung von Bewertungsmaßstäben aus den Natutwissenschaften auf die Geisteswissenschaften. Das führe etwa dazu, dass bei Publikationslisten Aufsätze und Bücher gleich viel zählten, da in einigen Naturwissenschaften das Buch als Publikationsform nachrangig sei. Außerdem sei die Neigung zur Drittmittelfinanzierung für die Geisteswissenschaften schädlich, weil auf diesem Wege nicht die Forschung selbst, sondern ihr Ergebnis, wie auch immer das dokumentiert werde, in den Vordergund rückt. 

Nun ist es mit der eigenen Sympathie für das Los der Geisteswissenschaften eher karg bestellt. 

Das liegt auch daran, das einem Fach, das sich jahrzehntelang auf der Freiheit der Forschung ausgeruht hat, durchaus ein wenig mehr Effizienz gut tut. Man denke daran, dass ein Roland Reuß groß geworden ist, weil er mit Hausmitteln Editionen auf den Weg gebracht hat, die heute als Standard gelten, während durchfinanzierte Forschungsprojekte über Jahre hinweg nichts zustande brachten (Kleist? Da war doch was?). 

Und wenn in einer Grabrede vor langen Jahren der Forschungseifer eines früh verstorbenen Kollegen gerühmt wurde, der es auf eine Publikationsliste von anderthalb Monografien und 12 Aufsätzen gebracht hatte, wird man sich fragen dürfen, ob die Gesellschaft für gutes Geld nicht mehr erwarten dürfte. Aber das ist – zugegeben – pietät- und taktlos.