Normativität der Narration

25. Juli 2015

Ein Serienformat wie Pippi Langstrumpf gehört wohl heute zum gemeinsamen Erinnerungsfonds mehrerer Generationen. Das Format erscheint allerdings heute entschieden veraltet – vor allem im Vergleich zu der großen Gruppe von Kinderbüchern, die als Sozialisationshilfen eingesetzt werden. Im Vergleich dazu ist Pippi Langstrumpf nicht nur von sympathischer Unbeholfenheit, was Inszenierung und Performance angeht. Zugleich ist es sein anarchischer Zug, der das Format so entschieden von heutigen Kinderbüchern und anderen Medien, die speziell für diese Gruppe entwickelt und produziert werden.

Das wohl erfolgreichste unter ihnen sind die Pixi-Bücher und verwandte Formate, nicht zuletzt, weil sie leicht zugänglich sind, preislich allgemein verfügbar und zudem in zahlreichen Varianten zur Verfügung stehen. Neben dem eigentlichen Pixi-Format, das mittlerweile mehr als vierzig Jahre alt ist, gibt es zahlreiche Nachahmer.

Eine der erfolgreichsten Reihen, die unter dem Pixi-Label erscheinen, sind sicherlich die Geschichten um Conny. Die Conny-Reihe ist so angelegt, dass sie Kinder von etwa zwei Jahren bis ins frühe Schulalter begleitet. Conny ist in den Jahren, in denen die Reihge existiert, mit gealtert, was es erlaubt, sie für Kinder in einer mittlerweile fünf bis sieben Jahre langen Spanne einzusetzen. Das ist als Markt enorm, zugleich ist der Bedarf an Medien, die die Sozialisation von Kindern in diesen Lebensjahren begleiten, anscheinend recht hoch.

Die spezifische Eigenschaft, die den Conny-Büchern zugeschrieben werden kann, ist aber, dass sie für beide zentrale Gruppen, die an der Sozialisation beteiligt sind, ausgelegt sind. Mit anderen Worten, sie zeigen nicht nur den Kindern, wie was in einer Gesellschaft funktioniert. Sie unterstützen nicht nur die Eltern darin, wünschenswerte Verhaltensmuster zu implementieren. Sie zeigen auch den Eltern, wie welche Ereignisse mit Kindern zu gestalten sind und wie welche Themen abzuhandeln sind. 

Eltern und Kinder lernen mit Conny, wie der erste Kindergartentag anzugehen ist und was an ihm geschehen wird, sie lernen, wie ein Geburtstag zu feiern ist und wie man damit umgeht, dass einen jemand Fremdes anspricht. 

Auf diese Weise ist ein mittlerweile fast flächendeckendes Sozialisationsprogramm entwickelt worden, in dem nicht abweichendes Verhalten und die Selbstbestimmung des Subjektes im Vordergrund steht, sondern sozial abgestimmtes und wünschenswertes Verhalten. 

Aus diesem Grund geht Reihen wie Conny naheliegenderweise jeder Realismus ab. Realistische Elemente dienen nur dazu, die notwendige Minimalanbindung an den Alltag der Eltern wie Kindern zu sichern. Die Durchführung der Geschichten jedoch liest sich jedoch wie ein normativer Katalog zu erlernenden Handelns. Dagegen ist wahrscheinlich nicht einmal viel zu sagen, auch wenn es wenig plausibel ist, dass sich etwa Zweijährige der Syntax von Jugendlichen bedienen, wie in einem der Nachahmerformate zu finden ist. Oder wenn Mütter (die vor allem als Instanz zu finden sind) in nahezu jeder Situation lächeln und sogar unter Stress langmütig agieren. Bemerkenswert ist es allerdings doch – vor allem, weil es die Tendenz zu angepasstem und sozial unauffälligem Verhalten stützt, was einer Pippi Langstrumpf nicht nachzusagen ist.