Lebensrettung

10. Oktober 2013

Wenn die gute Literatur nicht durch ihre früheren Leser zu retten ist (Kulturleute eben), dann vielleicht von Sozialtherapeuten. Die FAZ interviewte in ihrer Ausgabe vom 9. Oktober zwei Sozialpsychologen, die herausgefunden haben wollen, dass eine nur zehnminütige Lektüre von literarischen Klassikern die Empathie bei den Lesern, mithin ihr Vorstellungsvermögen, was in ihrem Gegenüber vorgehe, signifikant erhöht habe. Solche Effekte seien mit Unterhaltungs- oder Sachliteratur nicht zu erzielen. Sier vermuten den Grund darin, dass die „preisgekrönte“ Literatur oden Leser in eine aktivere Rolle dränge, er müsse selbständiger agieren, die Charaktere seien weniger stereotyp und deren Innenleben werde dem Leser auf dem Tablett serviert. Leser müssten aktiv werden und würden selbst zu einer Art Autor. Was wir uns schon länger gedacht haben.

Schön auch, dass das Ganze eine Art Trainingseffekt haben mag, vermuten sie. Wer also mehr gute Literatur liest – Fontane, Goethe, Schillern -, dessen Einfühlungsvermögen müsse entsprechen nachhaltig gsteigert werden. Denn wie der Effekt nach einiger Zeit nach einmaliger Lektüre nahlasse, so seir er auch durch anhaltende und wiederholte Lektüre zu verlängern.

Das ist interessant.Frage auch, ob der Effekt bei Brecht-Lektüren gleichfalls zu erzielen ist, oder bei der Lektüre von Klassikern der Avantgarde, die es mit Psychologie nicht so sehr haben. Lukacs könnte am Ende vielleicht doch recht mit seiner Favorisierung des Realismus des 19. Jahrhundert haben. Er wird auf diese Weise als therapeutisches Mittel einsetzbar. Leute lest mehr gute Literatur, und ihr werdet einander besser nachempfinden können. Und lasst das moderne Zeug.