Kurz oder lang?

11. Januar 2017

Im postfaktischen Zeitalter sind hinreichend ausgearbeitete Reflexionen der Begründung umfangreicher Parallelwelten kaum förderlich. Weshalb ihr Aufmerksamkeitswert gegen Null geht. Eine Behauptung kann sich kurz fassen (eine Lüge auch, gerade sie sollte nicht schwatzhaft sein, damit man ihrer nicht habhaft werden kann und sie sich nicht selbst entdeckt). Eine Überlegung kann das nicht. Es hat sich also viel geändert, dass eine Beschreibung der Welt in vier Sätzen eine größere Attraktivität haben sollte als dreißig Seiten Essay. 

Es ist unzweifelhaft, dass das Denken, soweit es sich Mühe gibt, den größeren Text braucht, und dass komplexe Verhältnisse eine adäquate Form brauchen, wenn man über sie nachdenkt, und die sollte mehr als 140 Zeichen umfassen dürfen. Nicht dass sich daraus zweifelsfrei ergeben würde, dass das jeweilige Ergebnis gelungen sein und auch gelesen werden muss. Mehr noch, dass es einen Ort gibt, der das auch noch gedruckt zur Verfügung stellt. Auch garantiert Schwatzhaftigkeit nicht Belastbarkeit. Der Umkehrschkuss ist also nicht zulässig. Aber dem intellektuellen Leben scheinen die Gelegenheiten doch nicht auszugehen. Dafür ist zu schreiben und zu denken.