Kostendruck

11. Januar 2019

In einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 6.1.2019 fordert die Verfasserin, Inge Kloepfer, Frauen auf, Teilzeitarbeit zugunsten von Vollzeitjobs aufzugeben. Hintergrund ist, dass es gesellschaftlich gewollt sei, dass der Anteil von Frauen an der Erwerbsarbeit und damit auch der Gestaltungsspielraum und Einfluss auf das gesellschaftliche resp. wirtschaftliche Leben steigen solle. Ohne Volljob kein Einfluss, so die These, zumindest solange sich dieses Junktim nicht ändern lasse. 

Grundsätzlich ist dem nicht zu entgegnen: Frauen sollen wie Männer am Erwerbsleben teilnehmen können und sie sollen Gesellschaft gestalten können. Wer das in Frage stellt, stellt die Gleichberechtigung der Geschlechter in Frage.

Grundsätzlich ist es auch problematisch, dass der Einfluss auf Gesellschaft eng an die Berufsarbeit gebunden ist, soll aber eigentlich heißen an das öffentliche Engagement und an Führungspositionen, denn in der Mehrzahl der Berufstätigkeiten ist die gestalterische Wirkung wohl eher gering. Nimmt man Gestaltungsmöglichkeiten und Wirkung in den Fokus, dann ist nicht Berufstätigkeit relevant, sondern sind bestimmte Tätigkeiten mit konzeptionellem oder öffentlichem Charakter gemeint. 

Es ist denn auch kein Zufall, dass die Verfasserin des Artikels nicht irgendein Beispiel für eine Frau, die sich aus dem Bereich, in dem Wirkung erzielt werden kann, zurückzieht, anbringt, sondern auf die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder zu sprechen kommt. Frau Schröder hat sich mittlerweile aus der Politik zurückgezogen, eine Beraterfirma mitgegründet (in der sie Teilzeit arbeitet) und sich in großem Maße auf die Familie konzentriert. Sie hat mittlerweile das dritte Kind bekommen. Sie hat dmait zum einen einen vergleichsweise hochrangigen Job aufgegeben, um einen anderen, weniger einflussreichen in Teilzeit zu übernehmen – um Zeit für ihr Familienleben zu haben. Abgesehen davon, dass Frau Schröder damit nicht grundsätzlich auf Wirkung im wirtschaftichen Feld verzichtet hat, wird der Gegensatz zwischen Ökonomie und Familie duetlich genug herausgestellt. Bleibt die Unschärfe, die die Gleichsetzung Vollzeit = Wirkung impliziert. 

Diese Unschärfe im Beitrag Kloepers mag marginal wirken, ist es aber nicht, da es ihr auf den Beitrag von Frauen am gesellschaftlichen Leben ankommt, das sie mit der Vollerwerbsarbeit kombiniert. Allerdings ist einzuräumen, dass Einfluss und Teilzeitarbeit nicht unabhämgig voneinander sind. Um einen typischen SAtz aus amerikanischen TV-Serien zu zitieren: Es ist kompliziert.

So schadet es nicht, wenn man eine solche Argumentation zum Anlass nimmt genauer zu werden. Auch wegen anderer Merkwürdigkeiten des Beitraga. Die willfährigste ist die Rede von den „noch immer hervorragend funktionierenden Männerbünden“, die mit dafür verantwortlich seien, dass der Einfluss von Frauen in der Wirtschaft nicht steige. Das ist aufschlussreich, weil dieses Argument im Beitrag spät kommt, vorher nicht eingeführt wird und unbelegt bleibt. Eine schlichte Tatsachenbehauptung, die aber schwer wiegt. denn was ist dran? Und warum nun auf einmal Männer“bünde“?
Lange war in dieser Sache von „Netzwerken“ die Rede, was wohl zutreffender wäre. Männerbünde haben was von Freichormuff (Theweleit, wir erinnern uns). Man hat das Bild von schwitzenden dicken Kerlen vor Augen, die in düsteren Kneipen bei Eisbein, Bier und Sauerkraut zusammensitzen und über deftige Witze lachen – oder im Puff die Posten verteilen. Ob das belastbar ist? 
Aber das ist selbstverständlich nur ein unziemlicher Einwand.

Aber wie siehts mit dem Kostenargument aus, das für Kloepfer zentral ist. Aus der Perspektive, dass die Erwerbsarbeit zentrales gesellschaftliches Ziel ist, kommt Kloepfer darauf, dass die Entscheidung von Frauen für Kinder, die eng gekoppelt ist mit der Entscheidung, sich wenigstens teilweise aus dem Berufsleben zurückzuziehen, auf die Kosten zurückzuführen sei, die mit der Entscheidung für Kinder zusammenhängen: „Ganze Kohorten jüngerer Frauen unterschätzen die Kosten, die ihnen durch das Muttersein entstehen, vor allem die ‚emotionalen Kosten'“.

Das ist eine interessante Argumentation, die der Einleitung des Beitrags widerspricht, in dem zu lesen ist, dass (sinngemäß) in großem Umfang Frauen nicht vollzeit arbeiten wollen – und damit zufrieden sind. Das legt eigentlich die Argumentation nahe, dass ihnen die Kosten – im umfassenden Sinn – für die Berufstätigkeit zu hoch sind – und nicht umgekehrt. Anders gesagt, sie sehen Arbeitsleben und Privaleben halbwegs in der Balance. 

Dafür spricht auch, dass die Frauen die Entscheidung für die Elternzeit, also den zeitweisen Ausstieg aus dem Beruf, im Vorfeld der Geburt von Kindern treffen und nicht erst, wenn sie abschätzen können, was es heißt, Kinder zu haben resp. wenn sie merken, das beides schwer miteinander zu vereinbaren ist. Aus der Perspektive der Vollzeitberufstätigkeit ist es hingegen klar, dass die Mutterschaft Kostenträger ist und nicht die Berufstätigkeit. 
Gelebt wird das allerdings anders, und daran scheitert auch der Aufruf Kloepfers. Sie ignoriert nämlich, dass es für Frauen der Wunsch Kunder zu bekommen eine bewusste Entscheidung ist, die sie vor die berufliche Karriere stellen und zu der sie stehen. Das meint eben nicht, dass Mutterschaft Frauenschicksal oder gar -aufgabe sei und dergleichen, sondern verweist nur darauf, dass es nicht legitim ist, eine Entscheidung zu diskreditieren, weil sie einem an anderer Stelle formulierten gesellschaftlichen Ziel nicht entspricht. Die Entscheidung gegen Vollzeit wird damit entwertet, was unter der Hand ein deutliches Indiz für die schlechte Bewertung von familiärer Arbeit ist. Die unterschiedliche Bewertung von Tätigkeiten – entlohnt oder nicht – ist aber verhängnsvoll und führt zu fatalen Brüchen resp. Hierarchien. Wenn ich schlecht bewertete Tätigkeiten nicht abschaffen will oder kann, muss ich sie anerkennen, als jeweils konkrete Entscheidung und Tätigkeit. Die politisch relevante Aufgabe ist nicht die Aufwertung von Mutterschaft, sondern Ziel ist die Selbstverständlichkeit, sich unterschiedlichen Tätigkeiten ohne Status-, Wirkungs- und Einflusswidmen widmen zu können. 

Allerdings hilft das in der Tat nichts dabei, dass die Teilzeitbeschäftigung wirtschaftliche Nachteile bei den Gestaltungsräumen noch in den Beschäftigungszeiten, und erst recht nicht im Alter mit sich bringt, sobald die ökonomische Verbindung zwischen Paaren aufgelöst wird. Das sind Kosten, die mit der Teilzeitbeschäftigung verbunden sind. Sie sind aber nicht damit zu senken, dass Frauen mehr arbeiten und dann mehr verdienen. Zum einen werden dadurch andere Kosten generiert (Überlastung, Verlust sozialer Interaktionen etc.). Zum anderen: Die Rentenlücke tut sich auch für Vollverdiener auf, wenn sie im unteren Vergütungsbereich angesiedelt sind. Um es zu wiederholen: Es ist kompliziert, in jedem Fall komplizierter, als es Inge Kloepfer vorstellt. Und in jedem Fall ist es jedem – in Voll- oder Teilzeit, männlich oder weiblich oder ein drittes – aufgetragen, sich mit einer möglichen Phase nach einer Paarbeziehung zu beschäftigen und mit den wirtschaftlichen Problemen, die mit der Teilzeit in der Rentenphase verbunden sind. Wegducken hilt in keinem Fall.