20. Februar 2016
Bernd Beuscher lehrt Praktische Theologie an der Evangelischen Fachhochschule Bochum. In der FAZ vom 20./21.2.2016 veröffentlichte er eine Klage über den abhanden gekommenen Mut, die fehlende Neugier und Abenteuerlust heutiger Studenten. Bernd Beuscher ist Jahrgang 1958, gehört also zu der universitären Jahrgangskohorte, die jetzt auf dem Gipfel ihrer Karriere steht und ihren Abschied bereits vorbereitet. Er attestiert heutigen Studierenden Leseschwäche und Wissenswut, sie setzten schnelle Verstehbarkeit, mithin hohe Verständlichkeit aller Texte und Sachverhalte voraus, dabei seien sie mutlos und desinteressiert. Sie schwängen die moralische Keule, wo es nur darum gehe, einen Termin zu vereinbaren – vor der Realität der Wissenschaft aber hätten sie offenbar Angst.
Was für andere Studenten seien das früher gewesen! Sie hätten sich dem Wagnis von Theorie und Unverständlichkeit ausgesetzt, seien gerade dahin gegangen, wo es bitter und böse werde (und als einigermaßen belesenem Literaturwissenschaftler – die wir ja nur die jüngeren Brüder der Theologen sind – fällt einem gleich die Wendung von der „Mama Realität“ ein, an deren Busen sich zu drücken ein hinreichend bekannter Autor seinerzeit der deutschen Literatur empfahl).
Nun war es auch mit den Studierenden Jahrgang 58ff nicht immer nur zum Besten bestellt. Sie habe studiert oder eben auch nicht, was ja nicht zuletzt zu einigen rigiden Maßnahmen in den 1990ern geführt hat und einer der Gründe für „Bologna“ ist. Die meisten haben ihr Examen mit Ach und Krach geschafft, was an den Noten freilich nicht immer abzulesen ist. Sie waren pragmatisch und angepasst zumeist und haben genau das gemacht, was sie mussten, um ihre Scheine und ihren Abschluss zu bekommen. Ein paar haben an der Uni Karriere gemacht, aber die waren immer schon anders als der Rest. Und wenn man sich an die Tiraden eines Essener Alt-Kollegen in den 1980ern bis 1990ern über die faulen und dummen Studenten erinnerte, müsste man sich fragen, was sich eigentlich geändert hat.
Auf beiden Seiten des Podiums – die Lehrenden beklagen die Studenten, die Studenten schaun immer noch, dass sie durchkommen – und manche von ihnen wollen auch noch die Seite wechseln. Weil sie ihr Fach wirklich interessiert, weil sie sich in Themen und Aufgaben festbeißen und weil sie von dem Job fasziniert sind, der immer noch eine hohe Reputation genießt. Warum auch immer.
Keine Frage, Lehre und Studierende machen Mühe, und was man da auch macht, es gelingt nicht immer. Studierende scheinen nicht nur Spaß am Studium zu haben und sie machen auch selten die Veranstaltungen zu den Ihren – welcher Hochschullehrer das hinnehmen würde, wär eine weitere Frage. Aber grundsätzlich ist der Grund, weshalb Leute am Anfang des Studiums vor allem dasitzen und schaun, dass sie keine Ahnung haben, was da passiert. Der Job des Hochschullehrers besteht im Übrigen darin, ihnen die Möglichkeit zu geben und mit ihnen die Kompetenzen zu erarbeiten, dass sich das hinreichend ändert.
Hochschulen sind keine „Arenen für den Kampf um die Erkenntnis im Blick auf Fragen, die das Leben stellt“? Wer einen solchen Unsinn glaubt, hat noch keine Hochschule von innen gesehen. Warum schreibt Beuscher also so etwas?
Studierende sind keine „Mitstreiter“, sie waren es nie. Sie sind zu coachen, auszubilden, zu korrigieren und mit ihnen ist zu diskutieren. Die akademische Gesprächsfähigkeit müssen sie erst erlernen. Und von wem?
Seminararbeiten dienen nicht dazu, „systematisch zu berichten, wie es geschmeckt hat und wie es bekommen ist“, was sich die intelligenten Studierenden denn da aus dem kulinarisch-intellektuellen Angebot des Professors herausgepickt haben. Das schriftliche Verfassen von Hausarbeiten ist ein zentraler Bestandteil der Ausbildung an der Universität, wahrscheinlich sogar der zentrale. Wer das nicht verstanden hat, dem ist jeder Student unpassend, der vor allem wissen und verstehen will. Und was ist daran neuerdings falsch?
Und Hochschullehrer? Vielleicht haben sie in der heutigen Zeit am meisten zu lernen.