Rückkehr des heroischen Manns?

14. Februar 2016

Die Ereignisse Silvester in Köln haben fatale Folgen und amüsante, eine amüsante (wenngleich schwerwiegende) ist, dass nunmehr wieder die Rückkehr des heroischen Manns gefordert wird, der sich für seine Frau schlägt. Anlass ist der Hinweis darauf, dass selbst Frauen in männlicher Begleitung Silvester nicht vor Belästigungen sicher gewesen seien. Die Verwunderung soll, wenn die Berichte stimmen, erstmals von russischen Journalistinnen geäußert worden sein, so zu lesen in einem ZEIT-Artikel von Adam Soboczynski (28.1.2016) oder in der FAS vom 14.2.2016.

Nun ist es in einer zivilisierten Gesellschaft aus gutem Grund verpönt bis strafbar, sich mit wem auch immer zu schlagen, was für Männer wie für Frauen gilt. Das gilt auch für jenes Muster, das Soboczynski ironisch zusammengefasst als Patriarchat beschrieben hat, in der der Mann selbstverständlich in den Krieg gezogen sei und dem Nachbar eins aufs Maul gehaun habe, wenn der sich an seiner Gattin vergriffen habe, und selbstverständlich sei es bei beidem immer aufs Leben gegangen.

Freilich ist dieses Patriarchat, das eine historische Funktion gehabt haben mag, wie seinerzeit noch Uwe Wesel einzuräumen bereit war, untrennbar verbunden mit Macht, Herrschaft und Gewalt von Männern über Frauen. Soll heißen, Männer haben eben nicht nur ihre Nachbarn verdroschen, sondern eben auch ihre Frauen bis hin zur Vergewaltigung in der Ehe, was beides heute strafbar ist (und auch das aus gutem Grund). 

Wenn man also Männer will, die ihre Frauen verteidigen, weil sie ihre Frauen sind, dann muss man vielleicht auch so etwas wie ein Patriarchat hinnehmen – nur will das eben keiner, und auch das aus gutem Grund.

Was eben aber auch nicht heißt, dass nicht jemand für die Frauen hätte Partei ergreifen sollen, die offenbar in einer männlichen Menschenmenge Übergriffen ausgesetzt waren. Dazu aber zweierlei:

Zum einen heißt es in Berichten über die fragliche Nacht, dass die Polizei, die sich dieser Männermenge gegenüber gesehen habe, diese nicht habe bewältigen können. Man wird also eine Situation annehmen müssen, in der es gegebenenfalls als männlicher und weiblicher Passant sinnvoll gewesen ist, das Weite zu suchen. Nicht einmal dafür ausgebildete und legitimierte Fachkräfte waren anscheinend in der Lage, die Situation schnell und angemessen zu bereinigen und Unschuldige dabei zu beschützen. 

Zum anderen bleibt die Frage, ob jemand in den jeweils konkreten Situationen den Frauen, die belästigt wurden, hätte helfen sollen und können. Zweifelsfrei ist das zu bejahen. Und zugleich ist zu betonen, dass solche Zivilcourage nichts mit Männlichkeit zu tun hat, sondern damit, dass man in solchen Situationen helfen soll und muss, egal ob man männlich oder weiblich ist. Und schließlich, dass das nichts damit zu tun hat, obs die eigene Frau oder nicht ist, sondern damit, dass jemand Hilfe braucht. 

Wie ebenso einzuräumen ist, dass jemand mit einer solchen Zivilcourage ein großes Risiko gegangen wäre. Wer also in einer solchen Situation aus Angst nicht hilft, ist gleichfalls nicht zu verurteilen (auch wenn es sowas wie unterlassene Hilfeleistung als strafrelevante Kategorie gibt). Das muss er oder sie mit sich selbst ausmachen. Feigheit ist ein schlimmes Stigma, aber manchmal die einzige Option.

Bleibt noch ein letztes: Sind die zivilen westlichen Gesellschaften schwach, weil sie nicht mehr patriarchalisch sind? Nicht notwendig und nicht aus diesem Grund. 

Die geschlossenen und sich heroisch gebenden Gesellschaften, die sich eben auch oft genug noch als patriarchalisch gaben, sind aus gutem Grund untergegangen. Weil sie unflexibel waren und Anforderungen nicht erfüllen konnten, die in einer modernen Gesellschaft aber notwendig erfüllt werden müssen, um sie funktionsfähig zu machen. Heroische Männer stehen da im Weg, aber nicht Männer und Frauen, die für andere einstehen, die in Not sind.

Was aber nicht notwendig hilfreich sein muss: Ob in der direkten Konfrontation zwischen zivilen Gesellschaften und patriarchalischen die patriarchalischen, die man zugleich als militaristisch verstehen muss, die Oberhand gewinnen, ist eine alte Frage, die bereits zwischen 1939 und 1945 zur Debatte stand. Ohne dabei über die westlichen Gesellschaften (und die Sowjetunion) allzu große Zivil-Hymnen anzustimmen, ist es zweifelsfrei eben auch der Fall, dass sie den Krieg für sich entschieden haben – mit allen auch gesellschaftlichen und kulturellen Kosten, die das für diese Gesellschaften nach sich zog. Aus diesem historischen Fall lässt sich zwar keine Garantie ableiten, aber immerhin so etwas wie ein Argument.