16. April 2015
Unter diesem Titel veröffentlichte der Konstanzer Zoologe und Evolutionsbiologe Axel Meyer in der Frankfurter Allgemeinen vom 16.4.2015 eine Klage über die verlorene Moral der Studierenden heute.
Naheliegend setzt er die Praxis von Studierenden, die die formalen Rahmenbedingungen nutzen, um sich – das ist sein Beispiel – vor Klausuren zu drücken oder sie mit bestmöglichen Noten zu absolvieren (durch Betrug, indem ein KOmmilitone schreibt) in Kontrast mit seiner Studienzeit in den USA, in denen so etwas nicht üblich gewesen sei. Außerdem bemängelt er, dass sich Studierende anscheinend weigerten, das Lehrbuch anzuschaffen und zu benutzen, auf dessen Basis er seine Veranstaltungen abhalte und das für eine optimale Vorbereitung auf Klausuren durchzuarbeiten wäre. Auch das habe man früher anders gemacht. Man habe das Buch, das der Dozent angegeben habe, angeschafft und es studiert. Und man habe es als Andenken behalten. Außerdem werde an der Universität geklaut und eingebrochen.
Eine solche Praxis sei gerade an einer deutschen Elite-Universität (Konstanz!) überhaupt nicht nachvollziehbar.
Nun sind aber alle drei Themen nicht neu an Universitäten, und erst recht nicht das Produkt der jüngeren Vergangenheit. Und sicherlich ist nichts davon tolerierbar.
Auffallend ist jedoch, dass der an einer deutschen Elite-Universität lehrende Kollege sich keinen Gedanken darüber gemacht hat, dass Studierende jeder Generation im Schnitt Praktiken entwickeln, mit denen ihr Studienerfolg optimiert, der Einsatz dafür aber minimiert werden kann. Unter den Bedingungen der neueren Studiengänge und bei der Verlagerung des Lebensmittelpunktes von Studierenden weg von der Universität hat sich dieses Phänomen vielleicht verstärkt. Aber es ist nicht neu entstanden.
Dass Meyer nun über etwas klagt, was auch in seiner Generation im wesentlichen bereits Praxis war – ihm aber gegebenenfalls aus seiner Perspektive nicht aufgefallen ist (soviel sei ihm zugestanden) – muss man ihm nicht vorwerfen (aber es reiht sich in die ewige Reihe der Studierendenklagen ein, die im deutschen Feuilleton seit den 1970er Jahren zu finden sind, man könnte eine Horst Albert Glaser-Gedächtnis-Reihe daraus machen, so sehr haben die Klagen Glasers über den Verfall der Studierendenkultur, die er in Die Zeit veröffentlichte, das Genre bestimmt.). Aber zu mehr führt das, als dass sich der Verfasser solcher Artikel hinerher noch mieser fühlt?
Vielleicht ist es sinnvoller, sich mit den Gründen für solche Extreme, die auf eine pragmatische Grundhaltung zurückgehen, zu beschäftigen und die Ergebnisse einer solchen Beschäftigung mit in die Studienplanung eingehen zu lassen.