Der Anschlag auf „Charlie Hebdo“ bewegt Slavoj Zizek zu einer radikalen Antwort
3. März 2015
In der „Zeit“ vom 15. Januar 2015 entwickelt Slavoj Zizek einen aufschlussreichen Gedanken: Die Aggressivität, mit der Fudamentalisten den hedonistischen Westen attackieren, lasse darauf schließen, dass sie keineswegs von ihrem überlegenen Status überzeugt seien, sondern dass sie zutiefst vom Hedonismus berührt und fasziniert. Die Fundamentalisten hätten die Standards des Westens längst verinnerlicht. Ein Hinweis darauf ist, dass die Inszenierung der Hinrichtungen, wie es an anderer Stelle jüngst hieß, nach den Standards des amerikanischen Erzählkinos inszeniert worden seien.
Zizeks Überlegung, dass der Radikale, der von seiner Überlegenheit überzeugt ist, die Differenz zum Anderen zweifelsfrei aushalte, ist vielleicht auch nur eine romantische Idee, aber sie ist dennoch plausibel enug, um damit arbeiten zu können. Allerdings bliebe zu bedenken, dass die Reinheit der Überzeugung eh nur in den seltensten Fällen so groß ist, dass daneben nichts mehr Bestand hat. Kritischer ist jedoch seine Abwertung des hedonistischen Westens zu sehen. Dessen Leidensfähigkeit scheint nämlich größer zu sein als angenommen. Im historischen Rückblick sind es die offenen Gesellschaften, die das NS-Regime besiegt haben. Sowjetrussland brauchte für seinen Teil immerhin die wirtschaftliche und technische Unterstützung des Westens. Und bei allen Anfeindungen, die die offenen Gesellschaften (die sich kulturell eben als Genussgesellschaften etablieren) erlebt haben – sie haben sie alle überlebt. Mindestens aufgrund ihrer wirtschaftlichen Stärke. Und es ist noch lange nicht gesagt, dass die moderaten und an sich selbst zweifelnden Gesellschaften nicht die stärkeren sind. Nietzsches „letzter Mensch“ hin oder her.