Das Böse in der Literatur

11. Oktober 2010

Karl Heinz Bohrer Band „Imaginationen des Bösen. Zur Begründung einer ästhetischen Kategorie“ (München, Wien 2004) ist, zu seinen Lasten, zusammengestellt aus Aufsätzen und Buchauzügen, denen man leider anschaut, woher sie kommen und wie mühsam sie sich beim gemeinsamen Thema tun: das Böse, der Schrecken, das Hässliche. 

Aber seis drum, dennoch ist seine These aufschlussreich: Das Böse als ästhetische Kategorie ist keine Metapher, kein Symbol, sondern selbstreferentiell. Dem kann man folgen, muss man aber nicht, denn wie in der Bildenden Kunst mag zwar das Literarische interessanter sein als das Thematische, das Thema bleibt dennoch Ausgangspunkt auch des Interesses (nicht nur des Interessanten). Der außerliterarische Bezug bleibt erhalten, nicht zuletzt, damit der Text seine Erkennbarkeit behält.

Hinzu kommt noch, dass Bohrer zwar den ästhetischen Status des Bösen anhand der Positionen von Hegel und Schlegel diskutiert, aber deren gesellschaftliche Funktion nicht wahrnehmen will: Das Interessante ist unter anderem deshalb eine gesellschaftlich relevante Kategorie, weil es die Hierarchien der Bestimmungen unterläuft und suspendiert. Hegel weist sie ab, weil er an der Sistierung von Entwicklung interessiert ist, Schlegel folgt ihr, weil er den offenen Horizont des Interessanten sieht, der mit einer hierarchischen Gesellschaftsstruktur nicht zu vereinbaren ist. Zumal dann nicht, wenn sie selbst wieder zur Disposition steht.

Aufschlussreich die enge Bindung des Ethischen mit dem Ästhetischen, die Bohrer bis in die Gegenwart sieht, gerade auch in der Diskussion von Moderne und Postmoderne.

Inakzeptabel hingegen ist seine Fokussierung auf die Literatur, auf die es ankomme. Wenns hier um Diskurshoheit geht – die ist geschenkt.