15. November 2009
Thomas Assheuer hat am 5. November in der Zeit darauf verwiesen, dass Ernst Blochs „Das Prinzip Hoffnung“ vor fünfzig Jahren erschienen ist. Das freut, auch wenn Assheuer konstatiert, dass wir heute so – wie Bloch – nicht mehr denken könnten, selbst wenn wir wollten. Aber Assheuer nimmt, nach langem Anlauf, schließlich doch die sich bereits in solchen Sätzen ankündigende Volte, wenn er im Schlussabsatz von der Freiheit spricht, die sein lassen könne, von der Klugheit einer Gesellschaft, die sich in ihrem Umgang mit der Natur zeige, und von einer gesellschaftlichen Konstitution, in der jeder Mensch das Recht habe, Rechte zu haben.
Bereits 2007 hat Ralf Becker bei Suhrkamp die Feuilletons herausgegeben, die Ernst Bloch in der Frankfurter Zeitung zwischen 1916 und 1934 publiziert hat. Eine Sammlung schöner Texte, die Becker (für einen Philosophen) unprätentiös einleitet. Um zwei Polen kreisten die Texte, bemerkt Becker, um das „Dunkle des gelebten Augenblicks“ und um die „unkonstruierbare Frage“, was denn der Mensch sei (unkonstruierbar sei sie, habe Bloch gemeint, weil sie jeder Theoriekonstruktion vorangehe). Das findet sich nicht zuletzt in solch unnachahmlichen Sentenzen wie „Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst“, die den „Spuren“ vorangestellt sind. Dafür haben wir Bloch geliebt, und für seine intellektuellen Volten, die noch im kleinsten und unscheinbarsten Phänomen noch jenen Moment findet, der über die einigermaßen fade Alltäglichkeit der Existenz hinausweist. Der hohe Ton mindestens macht es möglich.
Gelegentlich also wieder einmal Bloch lesen.
Gerne.
Am Schluss aber doch ein bisschen Meckerei zu Beckers Ausgabe: Die bibiografischen Angaben zur Publikation in der Frankfurter Zeitung gehören zu den jeweiligen Texten nicht in den Anhang. Dass Becker in den Fußnoten mit a.a.O. auf frühere Belege verweist, mag zwar als eine Art ziviler Ungehorsam gegen das Diktat des Nützlichen an den Hochschulen gedacht sein (gegen die sich bereits Bloch verwandt habe, wie eines der Feuilletons kommentiert wird), freundlich ist das aber nicht. Was sich im Einzelnen zudem hinter der behutsamen Vereinheitlichung der Rechtschreibung verbirgt (nach dem Duden 1986), will man gar nicht wissen und hofft, diesmal auf die Klugheit Beckers. Die Normalisierung der Schreibweise von Fascismus, die zeittypisch ist, zu Faschismus ist aber kein gutes Beispiel.