Sind Diktaturen durchsetzungsfähiger als offene Gesellschaften?

5. Dezember 2019

Peter Graf Kielmansegg hat in der FAZ vom 16. September 2019 darüber reflektiert, ob offene Gesellschaften auf die Anforderungen der Klimadebatte angemessen reagieren, ob sie also notwendige Maßnahmen durchsetzen können. Und ob alternativ, sollten sie dazu nicht in der Lage sein, sich eine Öko-Diktatur etablieren müsste, die sich dann an die Umsetzung notwendiger Maßnahmen machen könne und größere Chancen habe, sie umzusetzen, schlichtweg weil sie keinen Widerspruch zu fürchten hat: „Tatsächlich ist die Frage, ob die handlungsschwache, gegenwartsfixierte Demokratie nicht durch eine allein der Weltrettung verpflichtete Diktatur, eine ‚Ökodiktatur‘, ersetzt werden müsse, immeer wieder einmal aufgeworfen worden.“
Kielmansegg nennt dafür Hans Jonas, hätte aber auch Herbert Gruhl als Exempel anführen können.


Kielmansegg weist diese Forderung zwar ab, allerdings nur mit dem Argument, dass man nicht sicher sein könne, dass eine Ökodikatur tatsächlich „verantwortungsbewusster, zukunftsorientierter“ agieren würde. Nach allem, was man von Diktaturen weiß, ist davon auszugehen, dass sie die Macht, über die sie verfügen, vor allem in den Machterhalt stecken würde und nicht in die Verfolgung sachlich gerechtfertigter Ziele.

Ein weiteres kommt aber hinzu, nämlich das Argument, dass zum einen Diktaturen aufgrund ihrer Struktur tatsächlich nur bedingt handlungsfähig sind, dass sie – ganz im Gegenteil – von zahlreichen Abhängigkeiten und Verbindlichkeiten geprägt sind, die vom vermeintlichen Alleinherrscher moderiert werden müssen. Um den Machterhalt zu sichern, muss dieser Gruppen entweder gegeneinander ausspielen (Norbert Elias hat das vor langen Jahren „Königsprinip“ genannt), oder deren Interessen zufriedenstellen. In diesem Zusammenhang wird die Diktatur zu Handlungen gezwungen, die mit ihrem „Auftrag“ kaum in Verbindung stehen. Die Ressourcen, die dabei verbraucht würden, würden der Durchsetzung von klimarettenden Maßnahmen abgehen oder ihnen nur formal und symbolisch zuzuordnen sein. Um nicht zu sagen, dass nichts aus der anfänglichen Hauptsache wird: Weder haben die staatsozialistischen Gesellschaften haben eine klassenlose Gesellschaft etabliert noch hat der Faschismus Volksgemeinschaften etabliert. Inszeniert haben das beide, aber umgesetzt faktisch nicht.

Kielmansegg hätte sich also nicht nur auf die ZIvilgesellschaft und deren Überzeugungskraft argumentativ stützen können und dies als einzige Chance kennzeichnen brauchen. Er hätte auch auf die äußerst schlechte Bilanz von Diktaturen jeglicher Couleur verweisen können.
Und schließlich, bei allen Mängeln der westlichen Gesellschaften, waren sie es doch, die sich in einer immer beachtlichen kollektiven Anstrengung gegen den Faschismus gewandt und ihne besiegt haben. Was ihre Leisungsfähigkeit und Handlungsmacht zumindest teilweise belegt.