Umkämpftes Deutschland

Das Fotobuch im Neuen Nationalismus der frühen 1930er Jahre

Edmund Schultz, Ernst Jünger: Die veränderte Welt 1918-1933 (1933)

Nationalistische Aktivisten wie Ernst und Friedrich Georg Jünger haben zu Beginn der 1930er Jahre verstanden, dass Fotografien und Fotobücher in der politischen Auseinandersetzung effiziente Waffen sein konnten. Die nun im „Jahrbuch zur Kultur und Literatur der Weimarer Republik“ erschienene Studie stellt die Fotobücher vor, an denen die Brüder Jünger beteiligt waren, und arbeitet deren politische Stoßrichtung heraus: Aus dem offensichtlichen Gegensatz zwischen der Un-Ordnung der „System“-Welt der Demokratie und der Ordnung des Nationalismus ergibt sich der Vorrang des Nationalen.

Walter Delabar: Umkämpftes Deutschland, bekämpftes System. Das Fotobuch des Neuen Nationalismus – Das Beispiel Friedrich Georg und Ernst Jünger. In: Jahrbuch zur Kultur und Literatur der Weimarer Republik 22 (2021/22), S. 61-94.


Ein Literat

Neuer JUNI Band zu Carl Einstein erschienen

Ein Literat – damit ist doch schon alles gesagt? –, aber nein, noch mehr: ein Dandy, ein Anarchist, ein Antifaschist, ein früher, vielleicht schon postkolonialer Autor, ein Kunstkritiker und Kunsthistoriker. Was könnte man Schlimmeres über einen Intellektuellen des frühen 20. Jahrhunderts sagen, der sich – anscheinend – weder an die Grenzen des guten Geschmacks noch an nationale Grenzen noch an das, was bis dahin als Kunst zu gelten hatte, gebunden fühlte. Dass ein Intellektueller, der sich der Avantgarde zuwandte, starke Affinitäten zu Frankreich und zur neuen französischen Kunst haben musste, ist wohl kaum verwunderlich. Die Radikalität aber, mit der sich Carl Einstein (1885–1940) seinen Themen widmete, hat ihm bis heute den Ruf eines enfant terrible eingetragen, und die Faszination, die vom Werk, aber eben auch von der Person Carl Einstein ausging, groß gehalten. Welcher Autor, gleich welchen Geschlechts, könnte sich ein derartiges Werkkompendium zuschreiben wie Carl Einstein: einen avantgardistischen Roman (Bebuquin), ein Monument der Kunstgeschichtsschreibung der Klassischen Moderne (Die Kunst des 20. Jahrhunderts) und zwei schmale, aber fulminante Bände zur afrikanischen Plastik (Negerplastik und Afrikanische Plastik), mit denen er die afrikanische Kunst aus dem ethnologischen und kolonialen Gefängnis befreite und als Kunstform etablierte. Es wurde also höchste Zeit, dass sich der JUNI auch mit Einstein beschäftigt …

einstein

Einstein. Ein Widerbesuch bei Carl Einstein mit philologischen Perspektiven, Fragen zum Wissen der Moderne, zur Ästhetik, Avantgarde und ihren medialen Praktiken, zum Kritiker und dessen Netzwerk und zu den inter- und transkulturellen Zugängen Herausgegeben von Jasmin Grande, Maria Männig, Eva Wiegmann und Walter Delabar

Inhalt:

Klaus H. Kiefer Carl Einsteins Briefe. Stilistik und Philologie    S. 9   Carl Einstein Briefe. Vier unveröffentlichte Briefe Carl Einsteins    S. 41   Liliane Meffre Carl Einstein, stets einer und mehrere.  Aus dem Französischen übersetzt von Achim Küpper    S. 47   Anna Luhn Subversive Dichtung. Eine Spekulation zum literarischen Engagement  nach Carl Einstein     S. 53   Stefan Scherer Kubistische Prosa? Bebuquin oder Die Dilettanten des Wunders    S. 71   Dirk Heißerer Dialog der Antipoden: Carl Einstein und Thomas Mann    S. 84   Frank Krause „sie werden in dionysischen Sandalen stinken …“ Zur Problemgeschichte von Geruchsmotiven im Werk von Carl Einstein    S. 99   Jasmin Grande Trans/Einstein: Vernacular modernism im Europa-Almanach    S. 105   Christian Drobe Carl Einstein und Ernst Cassirer: Versuch einer Annäherung  im Rahmen der Gestalttheorie    S. 123   Patrick Hohlweck Form und Milieu: Carl Einstein und die Chronopolitik der Moderne    S. 135   Enno Stahl Zur Aktualität von Avantgarde    S. 147   Matthias Berning und Talea Kreienbrock Avantgarde und die Ästhetik der politischen Gewalt:  Avantgarde-Theorien der 1960er und Carl Einstein     S. 155   Walter Fähnders Zwischen Prophetentum und Selbstaufhebung: Der avantgardistische Künstler    S. 169   Matthias Berning Einstein, Grosz, die Kunst und die Weimarer Republik    S. 181   Maria Männig Die dritte Kunstgeschichte  Carl Einsteins Praxis und Walter Benjamins Theorie der Kritik    S. 193   Stephanie Marchal  Kontaktzonen der Kritik: Julius Meier-Graefe und Carl Einstein    S. 209   Patricia Nünning Moïse Kisling: Individualist, Grenzgänger und Alternative  zu Picasso & Co.    S. 227   Simone Zupfer Carl Einstein und die Literaturkritik    S. 238   Paul N’guessan-Béchié Faszination und Aktualität: Carl Einsteins Negerplastik  aus afrikanischer Perspektive     S. 253   Roberto Conduru Carl Einstein in Brasilien: Brasilianische Ansätze  einer nicht-hegemonialen Kunstgeschichtsschreibung    S. 261   Daria Mille Fotografie und vergleichendes Sehen: Carl Einsteins und  Vladimir Markovs Blicke auf die afrikanische Kunst     S. 273   Eva Wiegmann „Hilflos negert der Unoriginelle.“ Reflexionen über  das interkulturelle Potential von Carl Einsteins Afrikanismus    S. 289   Kay Heymer Afrikanische Kunst, ausgestellt. Carl Einstein zwischen Wissenschaft  und künstlerischer Praxis: Zu den Ausstellungen afrikanischer Kunst     S. 309   Amber Moyles Carl Einstein und der ethnografische Film. Der Fall Toni (1935)     S. 327  

Zu erhalten über den Buchhandel oder direkt beim Aisthesis-Verlag, Bielefeld (https://www.aisthesis.de/epages/63645342.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/63645342/Products/978-3-8498-1805-0)


Lion Feuchtwanger: „Erfolg“

Dirk Heißerers kleiner Gang durch einen Roman, jetzt auf youtube: https://www.youtube.com/watch?v=n_JFt3eX4WI

Dirk Heißerer in seinem 24. Literarischen Zimmerspraziergang zu Lio Feuchtwangers Roman „Erfolg“. Zu finden bei Youtube, dauert 13 Minuten und ist sehr empfehlenswert. Das Buch selbstverständlich auch.


Das kleine erfolgreiche Unternehmen

Eve Rulffes hat sich mit der Entstehung dessen befasst, was man Haushalt nennt, und was die Hausfrau dabei alles so leisten und aushalten muss – und wieso Hausfrau? Eine Besprechung findet sich vorab auf der Website des JUNI Magazin: http://www.juni-magazin.de/rezensionen/#1645696798486-9f033bdf-5ff8

Evke Rulffes: Die Erfindung der Hausfrau. Geschichte einer Entwertung. Hamburg: HarperCollins 2021. 288 Seiten. 22,00 Euro.


Frank B. Wilderson III: Afropessimismus

Eine irritierende Lektüre, ein radikaler Text – und ein Text, dem nicht in allem zu folgen ist. Die Besprechung bei literaturkritik.de finden Sie hier: https://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=28566