24. November 2016
Michel Houellebecqs Dankesrede für die Verleihung des Frank-Schirrmacher-Preises wurde, wie nicht anders zu erwarten, in der Frankfurter Allgemeinen (27.9.2016) veröffentlicht. Die Rede, die am Tag danach in der FAZ als die eines Schriftstellers und nicht die eines Intellektuellen klassifiziert wurde – als ob man einem Schriftsteller jeden Unsinn nachsehen könne, einem Intellektuellen aber immerhin hinreichende Redlichkeit unterstellen müsse -, ist unerhört amüsant zu lesen.
Dass sich Houellebecq zuerst als Verfolgter stilisiert, mag man hinnehmen – allerdings wird er dabei etwas langatmig. Dass er sich in seiner Verdammung der Massengesellschaft nun gerade auf Tocqueville beruft, ist aber interessant. Wenn man sich darin gefällt, die chaotisch gewalttätigen Phasen der Französischen Revolution als „männlich“ zu beschreiben, während die „westliche Welt“ ermüdet, wehleidig und ängstlich sei, für den ist Tocqueville wohl die richtige Autorität. Allerdings bleibt festzuhalten, dass diese ermüdete, wehleidige, ängstliche westliche Welt seit dem frühen 19. Jahrhundert (also seit dem Diktum Tocquevilles) den Globus politisch recht heftig dominiert und sein Wirtschaftssystem massiv durchgesetzt hat.
Richtig lustig wird es, wenn er sich als Exempel für den Niedergang der freien Gesellschaft nun gerade die drohende Bestrafung des Freiers beim käuflichen Sex herauspickt. Houellebecqs Argumentationskette ist hierbei sehenswert: Bestrafung des Freiers gleich Abschaffung der Prostitution gleich Abschaffung des Korrekivs der Ehe gleich Abschaffung der Ehe gleich Selbstmord der europäischen Gesellschaften. Wenn dem so ist, dann solls dann so sein. Aber immerhin muss man auf soi etwas erst einmal kommen.
Und wenn das dann alles „männlich“ ist, dann ist es keine schlechte Idee, wenn dieses müde, wehleidige, ängstliche westliche System dann auch die Männlichkeit schnell abschafft, zumindest solche Männlichkeit. Dass das so schnell nicht geschehen wird, ist leider die ziemlich unamüsante Seite des Ganzen.