30. Juli 2020
In der FAZ vom 29. Juli 2020 berichten Mona Jaeger und Markus Wehner über die Landnahmebemühungen von Rechtsextremisten in Ostdeutschland, genauer gesagt im Spreewald. Im Zentrum des Beitrags steht das Engagement eines Daniel Grätz in der Ortschaft Burg, wo er eine Gaststätte „Deutsches Haus“ übernommen hat.
Für die politische Position Grätz‘ werden eine Reihe Indizien angeführt, Teilnahme an rechten Demonstrationen, ein T-Shirt einer rechtsradikalen Band zum Beispiel. Grätz wird als „fest verwurzelt in der rechtsextremen Szene im Süden Brandenburgs“ bezeichnet; beide Mitgesellschafter von Grätz‘ Betreibergesellschaft des „Deutschen Hauses“ werden nach dem FAZ-Bericht von den „Sicherheitsbehörden“ der „rechtsextremen Szene in Cottbus und Umgebung“ zugerechnet. Angedeutet wird auch, die Gaststätte könne ggf. zur Geldwäsche genutzt werden.
Es werden noch weitere Hinweise geliefert, im Ganzen aber bleibt lediglich der Eindruck, es hier mit einem Mitglied des rechten, vielleicht auch rechtsextremen Milieus zu tun zu haben, das aber bislang weder offen als Rechtsextremer aufgetreten noch straffällig geworden ist.
Das passt in das Bild einer Szene, die in den letzten Jahren verstärkt in die Öffentlichkeit drängt, nicht zuletzt, weil ihre politischen Ansichten doch deutlich mehr Aussicht auf Akzeptanz haben als noch vor 20 Jahren. Und einen Legalitätskurs zu fahren, hat sicherlich strategische Vorteile (was bereits einmal bewiesen wurde).
Die Frage bleibt aber, wie eine kritische Öffentlichkeit damit umgehen soll und will. Und hier kommen Zweifel an der Quellenlage des FAZ-Berichts, denn er arbeitet im wesentlichen mit Vermutungen und Informationen zweiter Hand. Außerdem dräut er an verschiedenen Stellen, was Unheil nahelegt, aber eben nicht belegt.
Was zur Konsequenz führt: Selbst wenn man annehmen kann, dass Grätz‘ tatsächlich zum rechtextremen Spektrum gehört, zumindest gehört hat (die Ausrede mit den Jugendsünden lassen wir mal beiseite), erlaubt weder der gesicherte Wissensstand noch das vom FAZ-Bericht zusammengestellte Profil, eine massive Intervention; etwa der ortsansässigen Sparkasse nahezulegen, sie hätte ihn die Finanzierung beim Immobilienerwerb verweigern sollen.
Was wäre, wenn sich unser liberales System – das ich, wie hier dann doch einzuwerfen ist, sehr schätze – in ein autoritäres wandeln würde, in dem eine linksliberale oder linke politische Position – oder auch nur die Annahme, es mit einem solchen Antragsteller zu tun zu haben – nicht mehr akzeptiert würde? Würden dann etwa Projekte von Leuten aus diesem Milieu nicht mehr finanziert? Und wäre das dann legal oder auch nur legitim? Wo ist die Grenze eines legitimen Widerstands gegen die rechte Landnahme hin zur Aufgabe liberaler Prinzipien, zu denen auch die relative Neutralität der öffentlichen Hand gehört?
Das heißt eben nicht, dass sich Gemeinden oder andere öffentliche Institutionen mit rechtsextremen Strategien nicht auseinandersetzen und sich der Übernahme öffentlicher Räume nicht widersetzen sollen. Immerhin berichten die beiden Verfasser des FAZ-Berichts vom 29. Juli davon, dass eine andere Gemeinde in einem vergleichbaren Fall ihr Vorkaufsrecht ausgeübt hat. Das heißt auch nicht, dass eine kritische Öffentlichkeit die einzelnen Maßnahmen von Rechtsaußen unberührt hinnehmen soll und muss.
Das heißt nur, dass ein Bericht wie in der FAZ wohl kontraproduktiv ist. Er mag zwar in der Haltung sympathisch sein, aber in der Wahl seiner Mittel spielt er eben denen in die Hand, die politische und öffentliche Akzeptanz suchen, weil sie ein autoritäres Regime durchsetzen wollen: Das liberale System offenbart damit vorgeblich illiberale Seiten, worauf dann die ganze Litanei von Gesinnungsschnüffelei, man kann nicht mehr sagen was man denkt etc. folgt (was, wie wir wissen, nicht stimmt, man muss nur das Echo vertragen können). Das braucht keiner.