7. Dezember 2009
Slavoj Žižek hat in „Auf verlorenem Posten“ beredt eine neue „Diktatur des Proletariats“ als notwendig begründet, dabei das Proletariat als Allgemeinheit („wir alle“) bestimmt und Diktatur als formale Möglichkeit, dass diese Allgemeinheit ihre Interessen gegen die Partikularnteressen durchsetzen kann.
Das steht gegen jenes Konzept, das von Kant bis Brecht erkennbar ist, dass nämlich aus der Verhandlung der Partikularinteressen das Allgemeininteresse entstehen kann und durchgesetzt wird. Dass Žižek den repräsentativen Demokratien wohl begründetes Misstrauen antgegen bringt, ist nachvollziehbar, allerdings ist das Konzept der „Diktatur des Proletariats“ nicht grundlos von Stalin missverstanden worden, und einem Missbrauch ist ohne institutionelle Kontrolleure kaum gegenzusteuern.
Anders gewendet: Das „Proletariat“ tut gut daran, sich selbst zu kontrollieren, sich einem ständigen Reflexionsprozess zu unterziehen, dabei aber zugleich immer wieder gegen die instutionellen Grenzen aufzubegehren. Die Perpetuierung der Unruhe als Prinzip ist hingegen nicht lebensfähig, es bedient die Einzelnen nicht, es bestätigt und belohnt sie nicht – und bei aller Faszination, die von kollektiven Prozessen ausgeht, diese handlungsökonomische Seite ignoriert Žižek merkwürdiger Weise.
Eine intellektuelle Havarie, die nur wirklich intelligenten Leuten widerfährt.
Slavoj Žižek: Auf verlorenem Posten. Aus dem Englischen von Frank Born. Frankfurt/M.: Suhrkamp 2009.