„Die“ wissenschaftliche Methode

18. April 2017

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 16. April 2017 findet sich ein Interview mit dem „Evolutionsbiologen Michael Jennions“, der anscheinend derzeit Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin ist. Er forscht, wie dem Kastentext zu entnehmen ist, unter anderem zum Zahlenverhältnis der Geschlechter.

In diesem Interview betont Jennions zwar, dass die Ergebnisse biologischer Forschung zum Verhältnis der Geschlechter zueinander nicht einfach auf den Menschen übertragen werden können. dennoch findet sich das Beispiel der Winkerkrabben, deren Männchen anscheinend mit ihren Scheren winken, um auf Weibchen attraktiv zu wirken. Größere Scheren und den anderen etwas voraus scheint besonders sexy zu sein. Das Pendant beim Menschen: die Größe des Penis und die Figur des Mannes. Einem Versuch zufolge, den Jennions mit Penisschablonen durchgeführt hat, spiele die Größe  tatsächlich „eine Rolle“. Anzunehmen bei der Attraktivität. Außerdem fänden Frauen Männer mit einer „V-Figur attraktiv“.

Das alles, nachdem zuvor heftig auf populäre Magazine geschmipft worden ist, die Schindluder mit Halbwahrheiten trieben.

Leider findet sich kein Hinweis darauf, inwiefern die Tests daraufhin geprüft worden sind, ob etwa die Testsituation selbst oder kulturelle Codes Einfluss auf deren Ergebnisse gehabt haben. Oder ob etwa die gestellte Frage (wie auch immer sie gestellt wurde) das Ergebnis präfiguriert hat. 

Man möge analog Männern in Westeuropa die Frage stellen, ob sie vollbusige blonde Frauen attraktiver finden als schmalbusige brünette. Das Ergebnis – frei nach Schopenhauer – wird wohl ein mehrheitliches „Ja“ zu blond sein. Ob sich dieses Ergebnis bei der Wahl der Partner wiederfindet, bleibt unbeantwortet, wohl auch ungefragt. Dies allerdings, ohne den Versuchsaufbau im Detail zu kennen. Aber immerhin prescht ja Jennions mit solchen Ergebnissen nach vorn.

Das Ganze dann auch noch mit dem Satz zu verkaufen, dass „die wissenschaftliche Methode“ darin bestehe, „die Welt auf Basis gesammelter Informationen und Daten zu begreifen“, zeugt von der ungeheuren Reflexionsbereitschaft des Evolutionsbiologen Jennions. Entweder lässt er angesichts des Zeitungsinterviews alle reflexionsbedingten Hemmnisse fahren oder er hatte nie welche. 

Es gibt nicht „die“ wissenschaftliche Methode, und die Reflexion eines Versuchsaufbaus ist nicht minder relevant wie die Reflexion der eigenen Position. Kein Wunder, dass Judith Butler keinen guten Eindruck von der Biologie und Medizin hat. Kann man auch nicht, nach solch einem Interview.