Nur echte Männer und Frauen glücklich?

12. November 2020

Die Frankfurter Allgemeine (Was Männer glücklich macht, FAZ vom 12.11.2020) berichtet über die Studie eines Marburger Soziologen, Martin Schröder, die in der Zeitschrift „Social Indicators Research“ veröffentlicht worden ist. Auf den Punkt gesagt, kommt die Studie zu dem Schluss, dass Männer, besonders aber Väter, am glücklichsten sind, wenn sie besonders viel arbeiten, auch und gerade mehr als 40 Stunden die Woche. Bei Frauen kommt die Studie, die mehr als 740.000 Befragungsdaten aus sieben Ländern auswertet, zu etwas anderen Ergebnissen. Zufriedener (nicht glücklicher, aber das mag eine Unschärfe in der Formulierung sein) sind Frauen mit Kindern im Vergleich zu Frauen ohne. Die Zufriedenheit von Müttern bleibe, so der Bericht, weitgehend unabhängig von der Arbeitszeit, die sie sonst noch zu absolvieren haben. Bei kinderlosen Frauen steigt die Zufriedenheitskurve mit der Arbeitszeit an, was aber mit Erreichen von 40 Stunden pro Woche abbricht. Hinzu kommt: Die Zufriedenheit von Frauen steigt mit der Arbeitszeit ihrer Männer; im umgekehrten Verhältnis gibt es keinen Bezug.

Solche Ergebnisse stützen Bemühungen, die konventionelle Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern zu verändern, eben nicht, sondern zeigen an, dass sich die Leute, gleich welchen Geschlechts, im Status quo ganz gut eingerichtet haben. Soll heißen, Frauen kriegen Kinder und kümmern sich um sie, Männer gehen arbeiten und schaffen die Kohle ran, und alle finden‘s gut. Das kann man skandalös finden, muss man aber nicht.

Nachhaken muss man freilich: Fragen der Verfügungsgewalt über die gemeinsam erarbeiteten Mittel spielten anscheinend in den Datensätzen keine Rolle; auch Themen wie die Verteilung von Hausarbeit oder die Förderung der Kinderbetreuung durch Arbeitgeber, so der Bericht, scheinen nicht abgefragt worden zu sein. Die Fragilität von Beziehungen, die wirtschaftliche Abhängigkeit von Frauen von Männern in solchen Konstellationen, die perspektivische wirtschaftliche Ungleichbehandlung von Frauen bleiben gleichfalls außen vor.

Unabhängig davon scheint das Ergebnis aber weniger darauf zu deuten, dass Männer wie Frauen „glücklicher sind, wenn sie die an sie gestellten gesellschaftlichen Erwartungen erfüllen“, wie der Bericht eine allgemeine Forschungsgewissheit zitiert. Daran schließt der nicht mit vollständigem genannte Verfasser des Artikels (jpen lautet das Kürzel) die Frage an, ob nun die Normerfüllung oder die persönliche Einstellung relevant sei.

Dagegen wäre eine Art verhaltensökonomische These zu setzen: Die Erfüllung einer Rollenkonvention (was nochmals von der Erfüllung von gesellschaftlichen Normen zu unterscheiden ist) hat den enormen Vorteil, dass damit kein weiterer Aufwand mehr verbunden ist. Die Verhaltensgewissheit ist sehr hoch, also die Gewissheit, was wann und wie zu tun ist, um angemessen zu handeln. Das ist in nicht-konventionellen Verhaltensbereichen deutlich aufwendiger, da jeder einzelne Schritt reflektiert und ohne Erfahrungshorizont abgewogen werden muss. Die Wahl von Rollenkonventionen hat also Kostenvorteile im weiteren Sinne.

Demnach ist es naheliegend, dass Mutter oder Vater sein für Männer und Frauen mit einem hohen Zufriedenheitspotential verbunden ist, zumal dann, wenn die konventionelle Arbeitsteilung damit verbunden ist. Sie bleibt eher zuhause, er ist eher bei der Arbeit und das auch noch lange. Lange zu arbeiten bedeutet dann für Männer, dass sie besonders viel für die Familie leisten, also als Versorger besonders wichtig sind. Vergleichbares gilt für Mütter, die sich intensiv um Kinder kümmern.

Ändert man das Muster, also fördert man die Berufstätigkeit von Frauen und die Familientauglichkeit von Männern, müssen dafür neue Rollenkonventionen entworfen und eingeübt werden. Die stehen aber für eine ganze Weile in Konkurrenz zu den bisherigen, und werden – aller Wahrscheinlichkeit – noch lange das Nachsehen zu den eingeübteren Modellen haben.

Soll mithin heißen, dass das Ergebnis nicht die bisherigen Bemühungen suspendiert, mit denen der Abschied von bisherigen Rollenmodellen gefördert werden sollte. Immerhin ist das bevorzugte Rollenmodell für Männer mittlerweile nicht mehr das des allein ausreitenden Helden oder urgewaltigen Kriegers (außerhalb der Gamerszene oder des Trumpismus). Da hat sich also schon einiges getan. Stattdessen sind wohl mehr Geduld und nachhaltige Bemühungen notwendig, um sich von alten Gewohnheiten zu trennen. Naturgegeben sind sie jedenfalls nicht.