Deutsch-Rap ist heute eines der erfolgreichsten Pop-Genres, nun soll die literaraturwissenschaftliche Anerkennung folgen, oder wenigstens der Büchner-Preis
Rap als Teilbereich des Hip-Hop wurde im Laufe der 1970er Jahre aus verschiedenen Quellen insbesondere im New Yorker Stadtteil Bronx entwickelt, der vor allem von farbigen Gruppen bewohnt wurde. Inhaltliche und lebensweltliche Charakteristika des Rap, der sich aus den gesprochenen Beiträgen des Master of Ceremony (MC) entwickelte, sind die Bindung an einen einfachen, tanzbaren musikalischen Rhythmus, der die verwendeten Reim-, Vers- und Strophenformen bestimmt, der Bezug zu hedonistischen Lebensformen verbunden mit dem Protest diskriminierter Gruppen in Kombination mit der Selbstpositionierung im Rahmen der Adoleszenz. Rap wird als spontanes, authentisches Genre ausgezeichnet, dessen Sprecher einer jeweils bestimmten Community angehört, was durch den textlichen Verweis auf die Herkunft (hier den Stadtteil) gesichert wird.
International bekannt werden Hip-Hop und Rap mit The Message von Grandmaster Flash & the Furious Five aus dem Jahr 1982. Dem zeitlich nachgeordnet ist die Entwicklung des Gangsta Rap, der an der amerikanischen Westküste seit Mitte der 1980er Jahre entstand, der phasenweise das Genre insgesamt überformte und im deutschsprachigen Rap immer noch im Vordergrund steht. Mit dem Gangsta-Rap kommen ein spezifischer Habitus (Gangsta), ein dominantes, offen gesagt chauvinstisches Männlichkeitskonzept, die Abwertung von Frauen zu Sexualobjekten, die demonstrative Präsentation von Reichtum und die Abgrenzung gegen die bürgerliche Gesellschaft als Diskriminierungsinstitut hinzu. In diesem Zuge erhalten die Rap-Battles ihre besondere Bedeutung, wie auch die Behauptung der jeweiligen Überlegenheit des Rappers und seine Bindung an sein auch hier demonstratives soziales Brennpunktviertel verstärkt werden. Die deutschsprachige Rezeption und Übernahme des Rap erfolgte in den 1990er Jahren, zu Beginn mit starken Vorbehalten, die den Erfolg der deutschsprachigen Variante des Rap aber kaum behindert haben.
Das Erstaunliche und vielleicht auch Befremdliche am Rap ist, dass trotz der deutlichen Ausdifferenzierung des Genres es bis heute an Charakteristika wie demonstrative Authentizität inklusive Bezug auf ein bestimmtes Stadtviertel oder eine bestimmte Stadt, betonte Überlegenheit des jeweiligen Performers als Rapper wie eines demonstrativen Männlichkeitstopos festhält. Dieses Ensemble von habituellen Elementen auch noch nach einer mittlerweile wahlweise zwanzig (Deutschrap) oder vierzig (US-Rap) Jahre dauernden Praxis als „widerständige Geste der Konfrontation mit dem Publikum“ zu beschreiben, vernachlässigt die fraglose Abnutzung solcher Gesten.
Dass auf der anderen Seite das Genre samt konzeptioneller Basisausstattung immer noch derart präsent ist, weist möglicherweise darauf hin, dass das Genre auf der Produzenten- wie Rezipientenseite von Generation zu Generation weitergereicht und jeweils angepasst wird (so auch im Beitrag von Rosa Reitsomer zu den Männlichkeitskonzepten im Rap), was eben auch heißt, dass es funktional geblieben ist. Wie das passiert und wieso gerade dieses Konzept derart resilient ist, wäre zu klären-
Fragen gibt es also genug, unabhängig davon, ob dem Rap ein hoher literarischer Rang, große Kreativität oder gar Originalität zugeschrieben wird. Die Dokumentation einer Tagung im Brecht-Haus Berlin ist jetzt bei transcript erschienen. Hier der link zu meiner Besprechung bei lilteraturkritik.de
Neues, deutsches Lied – Julia Ingold und Manuel Paß kämpfen um die literaturwissenschaftliche Anerkennung des Deutschrap – Aber hat er das nötig? : literaturkritik.de